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Neue Abmahnwelle gegen Online Händler zu befürchten:

Nach einem aktuellen Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München ist der Amazon Check-Out in seiner jetzigen Form rechtswidrig.
Da sich viele Online Händler bei der Umsetzung des Check-Outs in ihrem jeweiligen Onlineshop an dem Amazon Check-Out Aufbau orientiert haben, dürften damit auch ihre Onlineshop Check-Outs rechtswidrig und damit abmahnfähig sein.

Amazon kassiert Niederlage vor OLG München - Abmahngefahr für Onlineshops gestiegen Amazon kassiert Niederlage vor OLG München - Abmahngefahr für Onlineshops gestiegen

Online Händler ächzen seit Jahren unter der Last unzähliger und teils komplexer Informations-Vorgaben, welche sie als Händler gegenüber Verbrauchern in ihren Onlineshops zu erfüllen haben.

Bei der Umsetzung der Informationsvorgaben haben sich über die Jahre viele Händler am Online Branchenprimus Amazon orientiert. Das macht ja auch Sinn, weil Onlinehändler davon ausgehen konnten, dass hinter dem genauen Aufbau des Bestell- und Verkaufsprozesses bei Amazon nicht nur eine ausgeklügelte und getestete Marketingstrategie steht, sondern auch die rechtskonforme Umsetzung gewährleistet ist, denn schließlich steht Amazon seit Jahren im Online-Handel im Rampenlicht auch der behördlichen Aufsicht.   

Ist der Amazon Onlineshop Check-Out rechtswidrig?

Nach einem aktuellen (Feb. 2019) Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München ist der Amazon Check-Out in seiner jetzigen Form rechtswidrig. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Da sich viele Online Händler bei der Umsetzung des Check-Outs an dem Amazon Ceck-Out orientiert haben, dürften damit auch ihre Onlineshop Check-Outs rechtswidrig und damit abmahnfähig sein. Damit dürfte eine neue Abmahnwelle gegen Onlinehändler drohen.

Wer hat geklagt und was war der Anlass für die Klage gegen Amazon?

Klägerin gegen die deutsche Niederlassung von Amazon war in dem der Berufung vorausgehenden Verfahren vor dem Landgericht München die Wettbewerbszentrale. Diese hatte 2017 klageweise geltend gemacht, dass Amazon in seinem Check-Out-Prozess entgegen den Vorgaben des § 312j Abs. 2 BGB nicht alle erforderlichen Informationen für Verbraucher klar, verständlich und in hervorgehobener Weise unmittelbar vor Vertragsschluss bereit halte.

Das Landgericht hatte der Klägerin recht gegeben und Amazon war dagegen in Berufung gegangen. Nach vorliegenden Informationen hat sich das Berufungsgericht, das OLG München, dem erstinstanzlichen Gericht angeschlossen und die Berufungsklage Amazons abgewiesen.

Auf welcher Rechtsgrundlage soll der Amazon Check-Out rechtswidrig sein?

§ 312j Abs. 2 BGB i.V.m Art. 246 § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB)

Um das Urteil verstehen zu können, müssen wir einen kurzen Blick auf die dem Urteil zugrundeliegenden Rechtsvorschriften werfen.

§ 312j Abs 2 BGB besagt „Bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.

Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB besagt:

Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 BGB verpflichtet,dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

1. Die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in dem für das Kommunikationsmittel und für die Waren und Dienstleistungen angemessenen Umfang,…“

Amazon kommt den Vorgaben, die sich aus den zitierten Paragraphen ergeben, nach, nur eben in einem einzigen Punkt nicht so, wie eine enge Gesetzesauslegung es erfordert. Dieser eine Punkt, den Amazon bisher nicht erfüllt, versteckt sich in dem Wort "unmittelbar".

Auch wenn Amazon alle gegenüber Verbrauchern abzugebenden Informationen einschließlich der wesentlichen Produkteigenschaften auf der Einzelproduktseite rechtskonform darstellt, so heben die Münchener Gerichte in ihren Urteilen offensichtlich auf eine enge Auslegung des Wortes "unmittelbar" ab.

Da auf der letzten Seite des Check-Out-Prozesses bei Amazon und mithin dort, wo der tatsächliche "Kauf-Button" platziert ist, die wesentlichen Merkmale der Warenkorbprodukte nicht noch einmal aufgeführt sind und sich diese notwendigen Informationen somit nicht in unmittelbarer Nähe zum finalen Kauf-Button befinden, verstößt Amazon nach Ansicht der Münchner Gerichte gegen § 312j Abs. 2 BGB.

Was bedeuten diese Paragraphentexte jetzt „übersetzt“ für Onlinehändler?

Sollte das Berufungsurteil des OLG München rechtskräftig werden, müssten Tausende Onlinehändler den Check-Out-Prozess ihres jeweiligen Shops schnellst möglich abändern, um nicht ebenfalls von Konkurrenten oder Wettbewerbshütern wegen Verstoßes gegen § 312j Abs.2 BGB abgemahnt oder gar gleich verklagt zu werden.

Alle Onlineshops, die einen ähnlichen Check-Out-Prozess implementiert haben, müssten dann im letzten Schritt des Onlineshop Checkouts (unmittelbar) bevor der Verbraucher seine Bestellung über den Kauf-Button abgibt, noch einmal alle wesentlichen Merkmale aller sich im Warenkorb befindlichen Produkte klar, deutlich und hervorgehoben auflisten.

Das hört sich vielleicht erstmal gar nicht so furchtbar kompliziert an, was die Gerichte aufgrund der zitierten Paragraphen hier verlangen.

Bei genauerem Hinsehen aber, ist es nicht nur ein erheblicher Aufwand für Onlineshops (besonders die mit Hunderten oder Tausenden Produkten) die geforderten Informationen auch am Ende des Check-Out Prozesses einzubinden.

Das Ganze muss auch technisch umgesetzt werden und die jeweilige Shopsoftware entsprechend angepasst werden.

Hinzu kommt neben der konkreten, technischen Umsetzung des weiteren der Umstand, dass die zitierten Gesetzestexte Auslegungsspielraum lassen und es z.B. nicht 100% klar ist, was genau als "wesentliches Merkmal" eines Produktes im Sinne des Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB anzusehen ist. Fehlt aber nur ein einziges wesentliches Merkmal in der Auflistung der wesentlichen Merkmale eines Produktes, könnte schon das ausreichen, um von Konkurrenten kostenpflichtig abgemahnt zu werden.

Davon unabhängig kann man sich fragen, ob der § 312j Abs. 2 BGB in seiner jetzigen Form wirklich erforderlich ist, um den Verbraucher zu schützen oder ob er nicht weit über das verfolgte Ziel hinaus und an der Lebenswirklichkeit vorbei gehend, den Onlinekauf unnötig mit weiterem Ballast beschwert. 

Brauchen wir denn wirklich im Check-Out-Prozess als Verbraucher zum wiederholten Male die Auflistung aller wesentlichen Merkmale eines jeden Produktes?

Warum reichen denn die Informationen über die wesentlichen Merkmale nicht aus, die Verbraucher bereits auf der Produkteinzelseite bekommen hat und auf die er ja nach wie vor Zugriff hat, bevor er den Kauf-Button klickt?

Antworten auf diese Fragen werden mit einiger Sicherheit noch lange auf sich warten lassen. 

Um die durch die Auslegung des § 312j Absatz 2 BGB durch die Münchner Gerichte möglicherweise entstehenden neuen Anforderungen für Onlineshop-Betreiber genauer verstehen zu können, wollen wir hier zunächst den bestehenden Check-Out Prozess bei Einkäufen über Amazon aufzeigen.

Denn auch, wenn so ziemlich jeder bereits bei Amazon eingekauft haben dürfte, wird dabei kaum Augenmerk auf den konkreten Check-Out Prozess gelegt worden sein.

Wie sieht der Check-Out Prozess bei Amazon (und den meisten anderen Onlineshops) bisher aus?

Anhand eines konkreten Beispiels, dass sich an der Klage anlehnt, welche den juristischen Stein ins Rollen gebracht hat, möchten wir verdeutlichen, wie der Check-Out Prozess bei Amazon & Co. bisher aussieht und was sowohl das Land- wie auch das Oberlandesgericht München daran auszusetzen haben.

Einzelproduktseite

Amazon Einzelproduktseite mit wesentlichen Produktmerkmalen

Auf der Einzelproduktseite führt Amazon in seinem Onlineshop alle erdenklichen wesentlichen Produktmerkmale auf, so dass sich der potentielle Käufer hier ausführlich über die zu erwartenden Produkteigenschaften informieren kann. Bei anderen Produkten mag es nicht so einfach sein, "alle" wesentlichen Merkmale des Produktes zu benennen. Bei einem Kleid hingegen sind die wesentlichen Merkmale einfach zu bestimmen: Größe, Farbe, Material, Gewicht, Preis, damit sollten alle wesentlichen Eigenschaften abgedeckt sein.

Warenkorbseite - Zusammenfassung

Warenkorb Zusammenfassung Amazon

Auf der Warenkorbseite übernimmt Amazon nur noch den Titel des gewählten Produktes und informiert darüber, ob das Produkt vorrätig ist, was es kostet und wer der Verkäufer ist. Weitere wesentliche Produktmerkmale wie Größe und Farbe etc. führt Amazon im Warenkorb nicht auf.

Check-Out / Kassenbereich von Amazon

Anmazon Check-Out letzter Schritt vor dem Kauf

Amazon ist bekannt für seinen schlank gehaltenen Kassenbereich.

Als registrierter und angemeldeter Benutzer brauche ich im Kassenbereich nur dann Angaben zu meiner Liefer- und Rechnungsadresse wie zu dem von mir gewünschten Zahlungsmittel machen, soweit ich hier Änderungen gegenüber meinen bereits hinterlegten Daten machen möchte.

Das Produkt, welches ich ausgewählt habe, wird mir mit einem kleinen Bild nochmals gezeigt. Der Titel des Produktes und die gewählte Menge sind angegeben, ebenso der Verkäufer des Artikels und die Standard-Versandart.

Weitere wesentliche Merkmale in unmittelbarer Nähe zum Kaufbutton fehlen

Bisher sind an dieser Stelle der Kasse von Amazon anders als auf der Einzelproduktseite keine weiteren wesentlichen Produktmerkmale aufgeführt und genau an dieser Stelle sieht die Klägerin den Verstoß gegen § 312j Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, der wie wir bereits aufgezeigt haben, in seinem Wortlaut genau dieses fordert.

Was soll ich als Online Händler jetzt machen?

Beim derzeitigen Stand der juristischen Auseinandersetzung (Das Berufungsurteil liegt vor, ist aber noch nicht rechtskräftig...) lässt sich noch nicht unmittelbar ableiten, was Online Händler jetzt unternehmen sollten. Im wesentlichen wird es derzeit darauf ankommen, ob gegen das Berufungsurteil des OLG München die Revision zugelassen werden wird und des weiteren, ob Amazon gegen das Berufungsurteil in Revision gehen wird.

Sollte Amazon das Berufungsurteil akzeptieren, wären alle Online Händler, welche den Check-Out-Prozess ähnlich dem von Amazon gestaltet haben, im eigenen Interesse gehalten, schnell zu reagieren und ihre Onlineshops entsprechend der Forderungen, die sich aus dem Landgerichtsurteil des LG München bzw. aus dem Berufungsurteil des OLG München ergeben, in ihren Shops umzusetzen.  

 



Mirko Gosch

Autor:
Mirko Gosch
Chief Marketing Officer (CMO)
Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV

Mirko ist Volljurist und unser Marketing "Mad" Man. Im Online Marketing hat er seine Berufung gefunden. Am liebsten wendet er die erprobten Erfolgskonzepte amerikanischer Online-Marketer auf den deutschen Markt an. So sind die von netinsiders betreuten Firmen/Kunden der Konkurrenz immer mindestens eine Nasenlänge voraus.

Erstellt:05.02.2019
Letzte Aktualisierung:06.02.2019